Der Endelberg Wächter

Nachtrag – von CHC Geiselhart

zu unserem Einspruch vom 25. September 2020 gegen die Endelbergtrasse, am 29. November 2020

Eine Art Bilanz oder Die Endelbergtrasse und die Kultur.

Das darf ja wohl nicht wahr sein! Müssen wir jetzt auch noch über Kultur reden? Was soll das?? –

Der Begriff >Bilanz< will sagen, daß der Blick einmal zurück und dann auch nach vorn gerichtet werden soll.

Dies vor dem Hintergrund, daß wir in der Zwischenzeit etwas in die Jahre gekommen sind –und so gibt es

noch konkrete Erinnerungen an die 1970iger Jahre, eben jener Jahre, aus denen die Grundstruktur der aktuell geltenden Planung für die Endelbergtrasse stammt.

Damals gab es das bekannte Bonmot des großen Straßenplaners Karl Schweizerhof, der (sinngemäß) den folgenden Standpunkt vertrat: >Eine Landschaft wird erst durch seine Straßenplanung veredelt!<

Nun, die Erfindung des Automobils war für sich genommen ein großartiger Wurf – niemand allerdings konnte damals die Folgen einer massenhaften Verbreitung und der daraus entstehenden Probleme ahnen, wie wir sie heute landauf, landab täglich erfahren müssen. Der ungeheure Aufschwung der Auto-Industrie verlief und verläuft bis in unsere Tage unter größtmöglicher Vernachlässigung der ökologischen und kulturellen Schäden – und dies mit jahrzehntelanger Unterstützung der Politik.

Selbstverständlich wollen wir nicht das Regierungspräsidium Tübingen allein dafür verantwortlich machen – längst wissen wir alle, daß es dabei um ein globales Problem in allen Bereichen unserer Lebensgrundlagen geht! Wahr ist aber auch, daß hier ein globales Handeln wider besseres Wissen sichtbar wird. Spätestens seit der Studie >Grenzen des Wachstums<, des Club of Rome von 1972 und dem Bericht >Global 2000<  an den amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter, den der Verlag Zweitausendeins bereits 1980 auch in Deutschland veröffentlicht hat, war dieses Wissen öffentlich verfügbar.

Damals wurde auch die Losung >Global denken! Lokal handeln!< geprägt und mit diesem Hintergrund sind wir auch wieder zurück beim Regierungspräsidium Tübingen. In der vorgelegten Planung zur Endelbergtrasse kann man höchstens Spurenelemente neuerer Entwicklungen seit 1980 entdecken. Von einem Umdenken im Sinne eines neuentwickelten  >Umweltbewußtseins< kann keine Rede sein! Es bleibt bei einer Fortschreibung des überkommenen >Weiter so!< und dies passt in keiner Weise in die heutige Zeit des Jahres 2020.

Der Endelbergwächter

Was wir heute B27 nennen, nannte man in früherer Zeit die >Schweizer Straße<.  Der Name sagte es bereits, es war die direkte Verbindung in die Schweiz. Es war eine so wichtige Wegstrecke, daß selbst der >Weltgeist< Napoleon ihn benutzt hat und einst im Goldenen Ochsen zu Ofterdingen eingekehrt und übernachtet haben soll.

Auch Friedrich Hölderlin, der große Fußwanderer, wird ihn zusammen mit den Tübinger Studienfreunden Johann Christian Hiller und Friedrich August Memminger im April 1791 benutzt haben, um in Zürich den europaweit be-kannten Physiognomiker Johann Caspar Lavater zu besuchen. So wird zu demselben Zweck auch Goethe hier in Ofterdingen vorbei gekommen sein, eben jener Großdichter, der dem jungen Hölderlin, -der den hohen Ton in der Dichtung bevorzugte-, den jovialen Ratschlag gab, sich mit einfacheren Sujets zu befassen.

Möglicherweise hätte Hölderlin schon damals im Ofterdinger Friedhof auf dem Endelberg einen solchen der Dichtkunst würdigen Gegenstand sehen können. Immerhin treffen an diesem Ort jene pantheistischen Gedanken Spinozas, -den der junge Stiftler Hölderlin sehr schätzte-, durchaus zusammen – in Form einer Einheit, die

>den Geist mit der gesamten Natur verbindet<.

Vielleicht aber wird die Hölderlin-Forschung eines Tages doch noch fündig mit einem Entwurf der Dichters

in seinen späten Schriften oder gar aus der Turmzeit, von wo er damals den Blick frei gegen das Steinlachtal richten und sich so an seine frühe Wanderung über die Schweizerstraße erinnern konnte.

Bis dahin wollen wir in der Zwischenzeit einen grünen Endelberg-Wächter errichten, den Einen als Mahnung,

den Anderen als Zeichen der Hoffnung auf Vernunft und kreative Lösungen.

Christa Schmuck-Geiselhart & CHC Geiselhart am 29. November 2020

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